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07.08.2023 - Matthias Nawrat erhält Fontane-Literaturpreis


Fontane Literaturpreis 2023

Fontanepreisträger M. Nawrat |© Lorena Simmel

Ministerin Schüle, Bürgermeister Ruhle und Juryvorsitzender D‘Aprile präsentieren Gewinner des Preises der Fontanestadt Neuruppin und des Landes / Mit 40.000 Euro dotierte Auszeichnung wird am 24. August verliehen

 

Kulturministerin Manja Schüle hat heute in Potsdam gemeinsam mit dem Neuruppiner Bürgermeister Nico Ruhle und dem Juryvorsitzenden Dr. Iwan-Michelangelo D‘Aprile den Preisträger des diesjährigen Fontane-Literaturpreises präsentiert. Von der unabhängigen Jury für den gemeinsamen Literaturpreis der Fontanestadt und des Landes Brandenburg wurde der Autor Matthias Nawrat mit seinem Gedichtband ‘Gebete für meine Vorfahren‘ ausgewählt. Die feierliche Preisverleihung findet am 24. August 2023 in der Kulturkirche Neuruppin statt. Der mit 40.000 Euro dotierte Fontane-Literaturpreis wird in Würdigung Theodor Fontanes als 24-monatiges Stipendium an Autorinnen und Autoren verliehen, die mit einem Werk erstmalig ein herausragendes öffentliches Interesse gefunden haben.

 

Brandenburgs Kulturministerin Dr. Manja Schüle: „Das menschliche Ringen zwischen Ego und Empathie, die Suche nach einer Identität zwischen Herkunft und Zukunft, der Zweifel an der Sprache in Zeiten von Gewalt – das sind die Themen von Matthias Nawrats literarischem Schaffen. Das sind Themen, die große Literatur ausmachen. Nun hat er einen Gattungswechsel vollzogen und begibt sich mit den Mitteln der Lyrik auf die Suche nach dem Sinn des Lebens und dem Wesen des Menschen. Ich finde: Er ist ein großartiger Fontane-Literaturpreisträger! Auf der Shortlist hatten wir fünf starke Autorinnen und Autoren, die in ihren Büchern über Brüche in unserer Gesellschaft und der Familie, in der Geschichte und der Gegenwart, in Gefühlen und Gedanken geschrieben haben – und damit in unterschiedlichen Facetten das Leben in dieser Zeit spiegeln, das von Krisen, Herausforderungen und Unsicherheiten geprägt ist. Nur einer konnte den Preis gewinnen – aber: Die Lektüre aller Bücher lohnt“, so Ministerin Schüle. „Und natürlich kommt einer der am höchsten dotierten Literaturpreise Deutschlands von hier: Denn Brandenburg ist Literaturland. Der Fontane-Literaturpreis trägt nicht nur den Namen eines Autors, der mit der Mark und den Märkern eng verbunden war – sondern dessen größter Wunsch es war, vom Schreiben leben zu können. Und der wusste, wie schwer das manchmal ist. Mit dem Preis möchten wir begabten zeitgenössischen Autorinnen und Autoren ermöglichen, sich zwei Jahre lang nur dem Schreiben zu widmen und die Literatur zu ihrem Lebensmittelpunkt zu machen.“

 

Nico Ruhle, Bürgermeister der Fontanestadt Neuruppin: „Ich gratuliere sehr herzlich Matthias Nawrat und freue mich sehr auf die Preisverleihung am 24. August in Neuruppin. Diese ist zugleich der Startschuss für das 10. Europäische Festival der Reiseliteratur ‘Neben der Spur‘, welches zu zahlreichen literarischen Entdeckungen einlädt. Die Jury hat mit dem diesjährigen Preisträger einen Autor gewählt, der mit unterschiedlichsten Gattungen, Stilen und Erzählperspektiven so selbstverständlich hantiert, wobei es ihm meisterhaft gelingt, Themen wie Entwurzelung, Neuverortung und die Gestaltung der Gesellschaft aufzugreifen. Dieser Facettenreichtum macht das Werk von Matthias Nawrat so interessant und lädt den Lesenden zu immer neuen ‘Reisen‘ ein. Ich freue mich, dass wir Herrn Nawrat mit dieser Auszeichnung auf seinem weiteren literarischen Weg unterstützen können. Dass die Jury des Fontane-Literaturpreises ein gutes Gespür hat, zeigt der Preisträger von 2010, Lutz Seiler, der in diesem Jahr mit dem renommierten Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet wurde.“

 

Dr. Iwan-Michelangelo D‘Aprile, Juryvorsitzender und Professor für Kulturen der Aufklärung am Institut für Germanistik der Universität Potsdam sowie Vorsitzender der Fontane Gesellschaft in Neuruppin: „Wie kein anderer jüngerer Gegenwartsautor literarisiert Matthias Nawrat die deutsch-polnische Beziehungsgeschichte und -gegenwart, die insbesondere das Land Brandenburg prägt. Nach Romanen wie ‘Die vielen Tode unseres Opas Jurek‘ oder ‘Der traurige Gast“ erscheint sein Gedichtband ‘Gebete für meine Vorfahren‘ wie ein lyrisches Kondensat seines Schreibens, das Landschaften, Mentalitäten und Geschichte(n) diesseits und jenseits der Oder erkundet. Scheinbar beiläufig werden dabei genaue Alltagsbeobachtungen mit den großen Fragen unserer Gegenwart und ihren historischen Tiefendimensionen verbunden. Nawrats Stil zeichnet sich durch souveräne Gelassenheit, feinen Humor und höchstes sprachliches Reflexionsniveau aus – nichts ist seiner Literatur fremder als Effekthascherei oder lautsprecherische Selbstbezüglichkeit. Nicht zuletzt mag man in diesem bewussten literarischen Understatement eine poetische Verwandtschaft und Aktualisierung des Namensgebers des Preises Theodor Fontane erkennen.“

 

Preisträger Matthias Nawrat: „In der Literatur kommt das menschliche Leben in all seinen Farben zu Wort. In ihr kann eine andere Welt aufschimmern, in der jeder Mensch geachtet, in der das Unrecht ausgesprochen wird. Wir befinden uns hier an einem ganz konkreten Ort, in Brandenburg im Jahr 2023, in einer Zeit, da der Faschismus überall in Europa wieder erstarkt. Mich beehrt der Glaube der Preisstiftenden und der Jury an die Dichtung und an ihre Relevanz, und ich will versuchen, die Verantwortung gegenüber der Mitmenschlichkeit, die mit jedem literarischen Wort verbunden ist, auch weiterhin ernst zu nehmen.“

 

Matthias Nawrat wurde 1979 im polnischen Opole – Partnerstadt der Landeshauptstadt Potsdam – geboren. Er studierte Biologie in Heidelberg und Freiburg im Breisgau, danach Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel/Bienne. Seit 2012 lebt er als freier Schriftsteller in Berlin. Er veröffentlichte Erzählungen, Essays, ein Tagebuch sowie mehrere Romane. Für seine Bücher erhielt er bereits den Literaturpreis der Europäischen Union 2020. Zuletzt erschien im Oktober 2022 beim Kölner Verlag parasitenpresse sein Gedichtband ‘Gebete für meine Vorfahren‘: Seine Gedichte sprechen von den Vergessenen der Geschichte und von denjenigen unserer Zeit. Sie sind konkret verortet in Berlin, Opole, Hyderabad oder Kabul. Sie sind Fahrten durch Landschaften und das in ihnen verborgene Wissen. Sie handeln von einer Kindheit in Polen, von Flucht und von Heimatlosigkeit. Sie befragen die europäische Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts und die der globalisierten Gegenwart.

 

Die unabhängige Jury für den Fontane-Literaturpreishatte zuvor eine Shortlist für den diesjährigen Preis beschlossen. Ausgewählt wurden dafür – neben Matthias Nawrat – auch Domenico Müllensiefen mit seinem Buch ‘Aus unseren Feuern‘, Yade Yasemin Önder mit ihrem Buch ‘Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron‘, Sascha Macht mit seinem Buch ‘Spyderling‘ sowie Fatma Aydemir mit ihrem Buch ‘Dschinns‘. Zur Jury gehören:

  • Prof. Dr. Iwan-Michelangelo D'Aprile (Juryvorsitzender, Vorsitzender der Theodor Fontane Gesellschaft e.V.)
  • Nadine Kreuzahler (freie Autorin, Reporterin, Redakteurin des rbb-Inforadio-Formats ‘Orte und Worte‘)
  • Dr. Wiebke Porombka (Literaturredakteurin und -kritikerin)
  • Judith Zander (Schriftstellerin und Übersetzerin, Preisträgerin des Fontane-Literaturpreises 2021)
  • Johanna Hahn (Geschäftsführerin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Berlin-Brandenburg e.V.)

 

Der Fontane-Literaturpreis der Fontanestadt Neuruppin und des Landes Brandenburg hat mehrere Vorgänger. Er wurde erstmals von 1913 bis 1922 vergeben, unter anderen an Annette Kolb, Carl Sternheim und Alfred Döblin. Nach 1949 gab es zwei Fontane-Preise: Den Westberliner Preis erhielten unter anderen Peter Huchel, Günter Grass und Wolf Biermann. Der Preis des DDR-Bezirks Potsdam ging beispielsweise an Walter Kaufmann, Christa Wolf und Helga Schütz. Im Jahr 1994 wurde der Fontane-Literaturpreis von Theodor Fontanes Geburtsstadt Neuruppin neu gestiftet, seit 2010 wurde er im Zwei-Jahres-Rhythmus mit Unterstützung des Mäzens Dr. Hans E. Weber vergeben. Zu den Preisträgerinnen und Preisträgern gehörten etwa Charlotte Jolles, Lutz Seiler und Christoph Ransmayr. Im Jahr 2019 wurde der Fontane-Literaturpreis erstmalig gemeinsam von der Fontanestadt Neuruppin und dem Land Brandenburg an die Autorin Dr. Peggy Mädler für ihren Roman ‘Wohin wir gehen‘ verliehen, 2021 ging der Preis an die Schriftstellerin Judith Zander für ihren Roman ‘Johnny Ohneland‘. Der Preis wird alle zwei Jahre ausgeschrieben. Anmeldungen zur diesjährigen Preisverleihung sind bis zum 20. August 2023 unter www.anmeldung.fontanepreis.de/ möglich. Am 25. August 2023 findet die erste von mehreren Lesungen des neuen Fontane-Preisträgers Matthias Nawrat statt.

 

Das Literaturland Brandenburg hat eine reiche Literaturgeschichte und eine lebendige Gegenwartsliteratur. Dazu zählen ‘klassische‘ Autorinnen und Autoren, wie Heinrich von Kleist, Theodor Fontane, Gerhart Hauptmann, Bettina und Achim von Arnim, Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht, Peter Huchel und Eva Strittmatter, ebenso wie die zeitgenössischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller Lutz Seiler, Antje Rávic Strubel, Julia Schoch und Juli Zeh. Das Land unterstützt das literarische Leben mit knapp zwei Millionen Euro jährlich. Gefördert werden sowohl Autorinnen und Autoren mit Stipendien und Preisen als auch überregional wirksame Vereine und Netzwerke wie der Brandenburgische Literaturrat, das Brandenburgische Literaturbüro Potsdam, die Fontane Festspiele und das Literaturfestival LIT:potsdam. Auch literarische Gedenkstätten werden unterstützt: Das Land finanziert das Theodor-Fontane-Archiv an der Universität Potsdam sowie – gemeinsam mit der Stadt und dem Bund – das Kleist-Museum in Frankfurt (Oder) und fördert zudem unter anderem das Gerhart-Hauptmann-Museum in Erkner, das Peter-Huchel-Haus in Wilhelmshorst und das Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum in Rheinsberg.

 

Weitere Informationen finden Sie hier: www.fontanepreis.de